Lebensqualität bis zum Ende eines Lebens – Begleitung beim Sterben im Pflegeheim

Eine Kollegin von „Pflege und Wohnen Alte Mälzerei“ berichtet von ihrer Arbeit

Eine haltende Hand, ein offenes Ohr, Zeit für den besonderen Moment sowie Gespräche, die sich spontan ergeben, machen die Begleitung bei einem Menschen, der nicht mehr lange zu leben hat, zu etwas sehr Besonderem. In Zusammenarbeit mit „Hospiz in Karlsruhe“ gelingt uns eine gute Begleitung unserer Bewohner*innen in dieser letzten Lebensphase. Der Hospizdienst unterstützt uns durch ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, die unsere Bewohner*innen besuchen und begleiten, wenn sich das Leben manchmal schneller, manchmal langsamer verabschiedet. Nicht immer bleibt genug Zeit, um eine Begleitung zum Lebensende über den ambulanten Hospizdienst zu organisieren – das Lebensende hat es bisweilen eiliger und dann sind wir in der Einrichtung gefordert. Diese Erfahrung durfte ich am 20. Januar machen. Ein Bewohner, der noch nicht sehr lange bei uns in der Einrichtung lebte, machte sich auf seinen letzten Weg. Nachdem die Information bei mir angekommen war, schaffte ich in Absprache mit meinen Kolleg*innen eine Wohlfühlsituation in seinem Zimmer mit klassischen Musikklängen, die er sehr mochte. Dann erkannt ich, dass die Situation sehr akut war und blieb bei ihm. Seine Atmung war noch sehr kräftig, aber der Blick war eingetrübt. Meine kühlen Hände auf der Stirn schienen im gutzutun – die Atmung wurde ruhiger, die Augen kleiner. Ich kannte den Bewohner nicht und ich war mir unsicher. Worüber kann ich ihm etwas erzählen, was kann ich vorlesen? Ist er christlich, darf ich mit ihm beten? Er konnte sich verbal nicht mehr äußern, so musste ich entscheiden. Auf dem Tisch, neben der Musikanlage aus der Entspannungsmusik klang, lagen drei Zeitschriften. Die eine war über Neuseeland, dort war ich noch nie, darüber konnte ich nichts berichten. Die zweite Zeitschrift war über Costa Rica – auch nicht mein Thema. Die dritte war eine Orchideenfachzeitschrift. Ich hatte die Idee, wenn jemand eine solche Fachzeitung besitzt, muss er auch einen Bezug dazu haben. Ich habe über meine spärlich wachsenden und kaum blühenden Orchideen zu Hause berichtet und ich habe dem Bewohner mein Bedauern mitgeteilt, ihn nicht früher kennengelernt zu haben. Dann hätte er mir Tipps zur besseren Pflege der besonderen Blumen geben können. Einige Zeilen aus der Zeitschrift habe ich vorgelesen, während ich meine kühle Hand auf seine rechte Hand gelegt habe – er zog seine Hand nicht weg. Es folgte ein erster Atemaussetzer. Ich hatte über die Pflegefachkraft die Ehefrau informieren lassen. Sie war nicht erreichbar, also gingen wir davon aus, sie wäre auf dem Weg zu ihm. Die Atmung setzte wieder ein, ich betete laut ein „Vater unser“, in der Hoffnung, es ist erwünscht. Seine Gesichtszüge wurden weicher, entspannter. Eine Träne rollte über die linke Wange. Es folgte ein zweiter Atemaussetzer – die Atmosphäre im Raum war alles andere als düster und traurig – sie entwickelte eine Eigendynamik. Mit dem dritten und letzten Atemaussetzer sind 85 Lebensjahre zu Ende gegangen. Nur Minuten später kamen die Ehefrau und ihr gemeinsamer Sohn herein. Sie stellten einige Fragen zu den letzten Minuten in diesem gerade zu Ende gegangenen Leben. Ich habe von meiner Kommunikation über meine Orchideen zu Hause berichtet. Die Ehefrau lächelte und berichtet mit, dass er ein großer Orchideenfan war und es eine Orchidee gibt, die sogar nach ihm benannt wurde. Wahrlich eine wohltuende Bestätigung für mein Handeln in den Minuten zuvor. Ich konnte mit einem guten Gefühl das Zimmer verlassen und war sehr dankbar, diesen Menschen in den letzten 45 Minuten seines Lebens begleitet zu haben.